Lebendige Erotik. Übungen (5.)

Schlüssel 1: sich Zeit für Liebe nehmen (5.1)

Liebe braucht Zeit. Das fängt bei Dir selbst an. Nimm Dir genug Zeit mit Dir selbst. Dafür brauchst Du Raum für Dich. Dann bist Du bereit für Zeit für Liebe mit deiner/m Partner/in. Nimm Dir genug Zeit mit deiner Partnerin. Schafft Euch Raum für Euch als Paar – Zeit für Liebe. Eigentlich ist es einfach - aber viele Frauen und besonders Männer unterschätzen diesen Punkt stark. Ihre Priorität ist im Berufsleben - nicht in der Beziehung, nicht bei sich und nicht bei der Partnerin oder beim Partner. Eine gute Beziehung braucht aber Zeit.

In der Paarberatung geht es immer wieder darum, zu erreichen, dass es einem Paar gelingt, drei Mal pro Woche ein festes Zeitfenster für folgende Treffen zu vereinbaren: Zeit für Organisation, Zeit für emotionale Intimität und Zeit für erotische Liebe. Eine gute Beziehung mit gutem Sex braucht doppelt so viel Zeit. Manche Paare verstehen das erst, wenn man Ihnen die Zahlen vor Augen hält. Also: wenn Deine Beziehung nicht gut ist, dann investiere einen halben Tag pro Woche damit sie besser wird. Wenn Du eine gute Beziehung mit gutem Sex möchtest, dann investiere einen ganzen Tag. Das heisst zwanzig Stellenprozente.

Bist Du bereit, auf zwanzig Stellenprozente zu verzichten für deine Beziehung und für dein Sexualleben? Daran scheiden sich die Geister. Für eine schöne sexuelle Begegnung mit deiner Partnerin oder deinem Partner brauchst Du einfach regelmässig zwei bis drei Stunden unbelastete Zeit. Und wenn Du über längere Zeit tolle Erotik haben willst, dann nimm Dir einen weiteren halben Tag raus. Für Eltern ist es besonders wichtig, dass sie ihre Paarzeit schützen und sich Baby-Sitter und Weekends organisieren für ihr entspanntes Zusammensein. 

Übung “Zeit für Liebe”

Verabredet Euch, um Liebe zu machen. Wir verabreden uns zum Essen, zum Reden oder ins Kino zu gehen, aber wir verabreden uns fast nie, um Liebe zu machen oder um Zeit für Liebe zu haben. Ich ziehe den Ausdruck “Zeit für Liebe” vor, weil er offen lässt, ob es Sex geben wird oder nicht. Erotik kann sehr aufregend und nährend sein auch ohne Geschlechtsverkehr.

Setting der Übung

  • Vereinbart ein festes Zeitfenster für emotioniale Intimität und eine Zeit für körperliche Nähe und Erotik.
  • Diese Zeitfenster sollen im Minimum 90 Minuten betragen. Sorgt zusammen dafür, dass Ihr spätestens um 21:30 abends beginnt, so dass Ihr spätestens um 23:30 abschliessen könnt.
  • Die Grundlage für schöne Erotik ist emotionale Intimität. Es ist deshalb wichtig, zuerst eine Grundlage zu schaffen mit verabredeter Zeit für Gefühle.
  • Gebt Euch sich eine Probezeit von vier Wochen, um zu schauen, ob es gelingt, jede Woche ein Treffen für emotionale Intimität durchzuführen. Die Treffen für erotische Zeit sind noch freiwillig. Verlängert die Probezeit bis es gelungen ist, viermal hintereinander die Gespräche für emotionale Intimität durchzuführen.
  • Aus den Gesprächen über Gefühle kann spontan auch erotische Zeit entstehen.
  • Wenn nach vier Wochen die Gespräche über Gefühle regelmässig stattfinden, dann wiederholt dasselbe für Zeit für erotische Liebe. Verlängern Sie die Probezeit bis es vier mal hintereinander gelungen ist, die Zeit für erotsiche Liebe durchzuführen.
  • Sollte es innerhalb von drei Monaten nicht gelingen, diese Zeifenster dauerhaft zu installieren, dann suchen Sie am besten eine Paarberatung auf.

Schlüssel 2: Sich miteinander entspannen (5.2)

Entspannung ist das Vorspiel des Vorspiels. Entspannung ermöglicht, dass du ganz bewusst geniessen kannst, was Du im Moment gerade im Körper wahrnimmst. Das ist für Männer eine besondere Herausforderung. Sie haben gerne Ziele, auch beim Sex. Welcher Mann kennt das schon nicht: auf den Orgasmus hinarbeiten. Aber was fehlt dabei, ist die Entspannung in den Moment. Die Energie kann nicht fliessen und es kann keine Magie entstehen. Das geht nur, wenn Du ganz eintauchen kannst in ein Streicheln, das Du gibst oder erhälst. Dann beginnt die Energie zu fliessen und trägt Dich weiter zu dem was diese beiden Körper sich am meisten wünschen. Beim Sex ist das einfach so: die Körper wissen am besten, was sie möchten und was sie brauchen. Wenn Du ganz aufmerksam darauf achtest, was in deinem Körper passiert, dann gehen im Sex neue Türen auf.

Entspannung ist das A und O für guten Sex. Für regelmässige, tolle Erotik braucht es genügend Zeit, damit ihr Euch beide entspannt begegnen könnt. Entspannung beginnt damit, dass Ihr zusammen den Alltag hinter euch lassen könnt und der Raum frei wird für eine ausser-ordentliche Begegnung. Dafür braucht es lebendige Rituale, die zu keiner Routine werden. Entspannung beginnt mit Annäherung, Streicheln, Zärtlichkeiten, einer Massage, einem guten Gespräch oder einem gemeinsamen Essen. Jedes Paar braucht seine eigenen Rituale - und wenn nicht, dann ist es höchste Zeit dafür.

Schlüssel 3: Gefühle miteinander teilen (5.3)

Gefühle zulassen und mitteilen. Das ist für viele Frauen und Männer schwierig - aber besonders für Männer. Gefühle zuzulassen in der Beziehung ist schon schwierig genug, darüber reden, während dem Sex, ist hohe Schule. Aber ohne geht es nicht, es entsteht keine wirkliche Intimität. Schöne Erotik steht und fällt mit dem Austausch vor, während und nach dem Sex. Das grosse Geheimnis ist: oft ist es gerade der schöne Austausch, der Intimität schafft und den Weg frei macht für liebevolle Berührungen oder schönen Sex. Dafür aber müssen Männer lernen, Ihre Fixierung auf den Geschlechtsverkehr aufzugeben. Liebevolle Intimität und wunderbare erotische Momente entstehen oft auch ohne den  oft unbewusst angepeilten Geschlechtsverkehr. Das Allerwichtigste aber ist, dass Du deine erotischen Bedürfnisse ausdrücken kannst, dann wenn sie auftauchen: bitte schau mir in die Augen, bitte streichle mich dort und dort, jetzt würde ich gerne in diese Position gehen, ich würde gerne mal etwas Neues ausprobieren... dann entstehen magische Momente.

Schüssel 4: Spielerisch präsent sein (5.4)

Präsenz im Liebesspiel will gelernt sein. Sie braucht Übung und viel Arbeit an sich selbst. Spielerische Präsenz braucht noch einen eigenen Raum. Der Raum für die gelungene Improvisation entsteht erst mit dem bewusst gestalteten Rahmen dafür. Paare, die bewusst üben, erweitern ihre Präsenz und ihr Repertoire. Das fängt schon mit dem Körper an. Je besser die Beckenboden-Muskeln trainiert sind und wir unsere Aufmerksamkeit dort halten können, desto besser wird das Sexleben. Für Frauen und Männer. Das ist erwiesen. Ebenso erwiesen ist, wie sehr Entspannung die Erotik vertieft. Viele Frauen und Männer entdecken das erst in der zweiten Lebenshälfte. Alles beginnt mit der Achtsamkeit. Wie bei aller Musik ist das Wichtigste der Atem. Das bewusste Atmen beim Berühren, beim Streicheln und dann im Sex kann sehr viel verändern. Das nächste sind die Augen: je mehr Du mit deiner Partnerin im Augenkontakt sein kannst, desto tiefer wird das erotische Erleben. Die Liebes-Kunst ist eine Form von Kreativität, in der Präsenz in der Beziehung am meisten gefragt ist. Spielerische Präsenz ist der grosse Schlüssel für ein lebendige Erotik.

Es gibt immer ein Vorspiel (5.5)

Das Vorspiel - sich in Stimmung bringen?
Mit dem Vorspiel wärmen sich viele Frauen und Männer auf für das «Hauptereignis» - sie stjmmen sich ein auf den «Sex». Wir haben gelernt, dass das Vorspiel wichtig sei, weil Frauen es «brauchen». Männer meinen zu wissen, dass es wichtig ist, den Körper der Frau in Stimmung zu bringen, oder dafür zu sorgen dass die Vagina erst mal schön feucht wird und «bereit» ist für den Geschlechtsverkehr. In Wahrheit ist es aber so, dass Frauen ebenso schnell wie Männer mit körperlicher Erregung reagieren, wenn es fliesst im erotischen Kontakt. Die grosse Frage ist, wie kommt die Energie ins fliessen? Wann ist das der Fall?

Viele Paar-Ratgeber haben uns jahrzehntelang eingeredet, wie wichtig es ist, dass wir «kommunizieren» und einander mitteilen, was wir gerne möchten. Als ob das Vorspiel nur gut werden könnte, wenn wir miteinander reden. Aber wenn wir genauer hinschauen, dann kennen sehr viele Paare die Erfahrung, dass ein Vorspiel dann besonders  schön ist, wenn wir nicht miteinaner reden, wenn wir nur küssen, streicheln, berühren ohne miteinander zu reden. Offenbar ist es so, dass wir gerade dann, wenn wir nicht reden, besonders intensiv «kommunizieren».

Das Vorspiel ist ein Verständigungsprozess
David Schnarch, weltberührmter Paar- und Sexualtherapeut, hat meine Ansichten über das Vorspiel stark verändert. Er hat herausgefunden, dass das Vorspiel wichtig ist, weil es immer  stattfindet. Ob es nun sanft oder stürmisch ist, ob es langsam oder schnell ist, ob es mit oder ohne Reden ist, es ist immer ein nonverbaler oder ein verbaler Verständigungsprozess, in dem sich Paare ganz viel mitteilen. David Schnarch hat folgende grosse Entdeckung gemacht: Im Vorspiel spielen wir ein, auf welcher Ebene von Intimität, emotionaler Verbundenheit und erotischem Kontakt wir uns im weiteren erleben werden.

Das Vorspiel ist der bewusste oder unbewusste Verständigungsprozess, der die Weichen stellt für den weiteren intimen Kontakt  und die emotionale Grundstimmung und die Grundhaltung des Paares prägt. Ist diese Grundrichtung ausgehandelt, lässt sie sich oft nur noch schwer verändern. Sie ist in einer Paarbeziehung auch für die weiteren sexuellen Begegnungen prägend. Wenn die Sexualität in einer langfristigen Partnerschaft langweilig und monoton wird, hat das nicht nur damit zu tun, dass der erotische Kontakt zu sehr festen Gewohnheiten folgt, sondern insbesondere damit, dass sich bestimmte Grundhaltungen und Bedeutungsebenen eingespielt und verfestigt haben.

Unter günstigen Umständen bauen die Partner beim Vorspiel einen emotionalen Kontakt auf und bei beiden wird Erregung, Begehren und Liebe geweckt. Häufiger aber stellt das Vorspiel die Weichen dafür, dass die beiden Partner nicht richtig miteinander in einen intimen Kontakt kommen, oder sogar, dass sich voneinander entfernen. Es ist leider so, dass das gängige Sexualverhalten wenig über Verhaltensweisen verfügt, die die Vertiefung von Intimität fördern. Der sexuelle Verhaltensstil von Paaren ist meistens darauf ausgerichtet, Nähe und Intimität auf einem erträglichen Niveau zu halten. 

Küssen mit geschlossenen und offenen Augen
David Schnarch bringt das Beispiel des Küssens und der verschiedenen Kussstile. Die meisten Paare küssen mit geschlossenen Augen. Das Küssen mit offenen Augen ist für viele Paare zu Beginn schwierig zu ertragen, weil es so viel mehr Intimität in die erotische Begegnung bringen kann. Wir müssen uns fragen, weshalb wir das Küssen und den Geschlechtsverkehr mit geschossenen Augen «romantischer» finden.

Es ist offenbar einfacher, sich selbst zu spüren, wenn wir die Augen schliessen. Wenn wir die Augen öffnen, dann verlieren wir rascher den Selbstkontakt, weil uns das irgendwie «rauswirft» aus dem innigen Erleben. Wenn wir aber lernen, die Augen offen zu halten und trotzdem im Kontakt zu bleiben, dann wird die «Kommunikation» viel intensiver, wir sehen den Partner von ganz nahe, seinen Gesichtsausdruck, seine Augen und der gemeinsame Kontakt vertieft sich stark.

Das Vorspiel ist ein Spiegel der Beziehungsdynamik
Im Vorspiel wird also das Feld für Intimität und Erotik abgesteckt. Die Partner erfassen dann sehr fein, wie weit der Andere gehen möchte. Das Feld des Vorspiels ist oft ein Spiegel für den Umgang des Paares mit Intimität und spiegelt auch die Machtverhältnisse im Paar. Besonders sichtbar wird das im Übergang vom Vorspiel zum «Hauptereignis». Dieser Übergang vollzieht sich «nicht von allein», sondern beruhrt auf einer «gemeinsamen Entscheidung». Der eine Partner ergreift die Initiative, das Vorspiel zu beenden und «zur Sache» zu gehen, und der andere Partner erlaubt dies bewusst oder unbewusst oder lässt es nicht zu, um das Vorspiel zu verlängern. Oft lassen sich sexuelle Probleme wie Erregungsschwäche, mangelndes Begehren oder sexuelle Funktionsstörungen auf Störungen im Verständigungsprozess des Vorspiels zurückführen.

Literaturangabe
David Schnarch, Die Psychologie sexueller Leidenschaft. Piper Verlag 2015, s. 226-253

Übung 5: Austausch über “Es gibt immer ein Vorspiel”

Nehmen Euch Zeit für ein längeres Gespräch über die gemeinsame Vorspiel-Kultur. Als “Vorspiel” ist der Tanz den körperlichen Annäherung zu verstehen, auch wenn es nur ein Tanz der Finger oder ein Tanz der Worte ist. Formen der sinnlichen Annäherung sind: schaffen einer schönen Atmosphäre, Aussprechen von Komplimenten, Liebesbekundungen, Berührungen, Streicheln, Tätscheln, Umarmen, Tanzen, Lächeln, Zungenbewegungen, Küssen, Augen-Blicke, Streicheln des Pos, Streicheln der Brüste, Halten und Streicheln der Genitalien bis hin zur spielerischen oralen Stimulation ohne zielgerichteten Erregungsaufbau.

  • Welche Erinnerungen an besonders schöne Vorspiele hast Du?
  • Welche Vorspiel-Highlights hast Du in deinem Leben erlebt?
  • Was geniesst Du immer wieder in unserem Vorspiel?
  • Welche Berührungen empfindest Du als anregend?
  • Wann wirken unsere Küsse erregend auf Dich?
  • Welche Vorspiel-Muster können wir erkennen?
  • Woran merkst Du lange im Voraus, dass wir höchstwahrscheinlich Sex haben werden?
  • Was macht Dich an? Wie möchtest Du verführt werden?
  • Welche Formen der körperlichen Annäherung kennen wir?
  • Welche Formen der körperlichen Annäherung verwenden wir häufig.
  • Welche Rituale der erotischen Annäherung haben wir entwickelt?
  • Was vermisst Du im Vorspiel? Was wünschst Du Dir mehr?
  • Was führt dazu, dass du die Lust auf mehr umgehend verlierst?
  • Welche Störungen können in unserem Vorspiel auftauchen?
  • Wie würde das ideale Vorspiel für Dich ablaufen?

Erogene Zonen erforschen (5.6)

Eine sehr schöne Paarübung ist das Erforschen der erogenen Zonen der oder des Geliebten. Wir haben überall am Körper erogene Zonen und es kann ihr erotisches Spiel sehr bereichern. Führen Sie die Übung «Erogene Zonen erforschen» immer wieder einmal durch. Es wird Ihnen dabei nicht langweilig werden, denn es gibt mindestens vierundzwanzig verschiedene erogene Zonen.

Setting der Übung

  • Nehmen Sie sich zwischen vierzig bis sechzig Minuten Zeit und streicheln Sie ihre/n Geliebte/n je während zwanzig bis dreissig Minuten in drei bis vier Bereichen, wo ihr/e Geliebte/r dies wünscht. Bestimmen Sie als erstes, wer womit beginnt.
  • Der streichelnde Partner übt in dieser Rolle die spielerische Präsenz (Schlüssel 4), der gestreichelte Partner kann dafür ganz in die Entspannung (Schlüssel 2) gehen.
  • Richten Sie es sich gemütlich ein, mit Uhr, Kerzenlicht und Decken. Die Person, die gestreichelt werden möchte, zieht sich nackt aus und wird mit einer wärmenden Decke zugedeckt.
  • Der oder die streichelnde Partner/in setzt sich zu Beginn so daneben, dass beide sich gut anschauen können und fragt sein Gegenüber, in welchen Bereichen, er oder sie gestreichelt werden möchte
  • Weiter weisen Sie ihre/n Partner/in darauf hin, dass er oder sie jederzeit mitteilen kann, wenn sich etwas nicht als angenehm anfühlt und dass es wichtig ist klare Rückmeldungen zu geben und die Bedürfnisse klar zu benennen.

Was zu beachten ist

  • Beachten, dass Sie die Tendenz haben ihre/n Geliebten so zu berühren, wie sie selbst berührt werden möchten. Aber in der Art und Weise wie und wo Frau und Mann gestreichelt werden möchten, gibt es oft grosse Unterschiede.
  • Bei dieser Übung ist es sehr wichtig, dass der/die Partner/in, die gestreichelt wird, sehr klare Feedbacks gibt, wann es schön ist und wenn es sich nicht angenehm anfühlt.
  • Es ist wichtig, wenn es nicht stimmig ist, klar seine Bedürfnisse zu benennen: «bitte weniger stark drücken», «bitte ganz fein streicheln», «bitte langsamer streichen», «oh ja genau so ist es sehr schön», «und jetzt noch mehr von dem, das erregt mich!».
  • Fragen Sie zum Abschluss ihr/n Partner/in nach dem Abschluss des Streichelns, was ihr oder ihm besonders gefallen hat, was besonders angenehm war und was besonders erregend.

Die verschiedenen erogenen Zonen sind die Folgenden: Füsse und Zehen, Beine und Kniekehlen, Rücken und Rückenwirbel, Schultern und Arme, Hände und Finger, Brustbereich und Achselhöhlen, Bauch und Nabel, Becken und Po, Penis und Vagina, Lippen und Zunge, Nacken und Hals, Gesicht und Kopfhaut, Ohren und Ohrläppchen.

Der Tanz der Hände (5.7)

Die Übung "Der Tanz der Hände" ist eine Übung die hilft, unsere spierelerische Präsenz (Schlüssel 4)  zu fördern

Setting der Übung

  • Setzen Sie sich aufrecht gegenüber, auf einem Stuhl oder einem Meditationskissen
  • Bereiten Sie sich darauf vor, länger miteinander im Augenkontakt zu sein
  • Legen Sie fest, wer mit der Übung beginnt, d.h. wer die Führung übernimmt. Seien Sie etwa während fünf Minuten in Führung und dann wechseln Sie
  • Heben Sie die Hände voreinander und legen Sie die Handflächen auf die Handflächen ihres Partners.
  • Folgen Sie den Händen Ihres Partners und richten Sie ihre Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung der Hände

Worauf zu achten ist

  • Nachdem jeder von Ihnen eine zeitlang geführt hat, gehen Sie über in einen Tanz der Hände, wo nicht mehr klar ist, wer die Führung hat. 
  • So kann dieser Tanz zu einer Meditation zwischen Ihnen werden
  • Lassen Sie die Hände einen Tanz beschreiben, gehen Sie langsam und bewusst mit dem ganzen Oberkörper mit. Folgen Sie der Bewegung der Hände und der Energie.

Abschluss der Übung

  • Nach 20 bis 40 Minuten beenden Sie den Tanz und gehen in eine bequeme Position, um den Tanz ausklingen zu lassen.

 

Die erotische Überraschung (5.8)

Die erotische Überraschung ist ebenfalls eine Übung, die die spielerische Präsenz fördert. Es kommt immer wieder vor, dass einer der Partner/innen keine Lust auf Erotik hat gerade dann, wenn der Partner gerne erotische Zeit verbringen möchte. Das erotische Überraschungsgeschenk ist eine Möglichkeit in dieser Situation für einen Ausgleich zu sorgen.

Diejenige Person, die Lust auf erotische Zeit hat, aber nun darauf verzichten muss, kann in dieser Situation ein erotische Überraschung wünschen. Diejenige Person die keine Lust auf Erotik hat, denkt sich eine kurze erotische Überraschung aus, die zwischen drei bis sieben Minuten dauert, damit der Partner, der verzichten muss, doch ein bischen Erotik geniessen kann. 

Hier ein Beispiel, das mir eine Frau erzählt hat, die mit dem erotischen Überraschungsgeschenk eine schöne Entdeckung gemacht hat. Es war Sonntag Morgen und sie wollte rasch aufstehen. Der Partner aber hatte sich noch etwas längere erotische Zeit gewünscht. Er hat sich bereit erklärt, gerne darauf zu verzichten, wenn er eine erotisches Überraschungsgeschenk erhalten würde.

Die Frau hat sich einen Moment Zeit genommen, ihren Bedürfnissen nachzuspüren und bat dann ihren Partner sich nackt auszuziehen und auf alle Viere zu gehen. Sie gab ihm einen Klapps auf den Hintern und begann von den Hoden her dem Penisschaft entlang nach oben zu streicheln und zurück, immer wieder, und gleichzeitig fuhr sie mit der anderen Hand vom Steissbein den ganzen Rücken zum Nacken hinauf und zurück. Ihr Partner empfand diese Massage sehr nährend und erregend. Er bemerkte genussvoll “Oh, so hat noch nie jemand mich gestreichelt, das ist sehr erregend und wunderbar". Die Frau war selbst überrascht, wie viel Spass ihr diese Massage gemacht hat und sie hat länger gedauert als erwartet.

Und der Mann war, was den erotischen Hunger betraf, für den ganzen Tag gesättigt. Nach sieben Minuten erotischem Überraschungsgeschenk.

Sinnlichkeitstraining (5.9)

Die Übung Sinnlichkeitstraining stammt aus der klassischen Sexualtherapie ist eine Übung die auf der Arbeit von Masters und Johnson (1970) beruht und am Institut für Sexualforschung Eppendorf durch Arentewicz & Schmitt (1980) als sogenanntes «Hamburger Modell» bekannt wurde. Dieses wurde bis 2013 weiterentwickelt und durch Hauch neu konzipiert. Das ursprüngliche Modell wurde erweitert um die Arbeit mit tieferliegenden innerpsychischen Konflikten oder Paarkonflikten zu erleichtern. Im Sinnlichkeitstraining spielt das ausgedehnte Streicheln die Hauptrolle. Das Ziel des Trainings ist nicht nur Erwartungsdruck und Versagensangst und die daraus entstehenden Vermeidungstrategien aufzulösen, sondern auch die Bedeutung der sexuellen Störung für die Paarbeziehung zu verstehen:

«Das ausgedehnte, nicht fordernde Streicheln (…) des ganzen Körpers, ohne die Möglichkeit, sich in Aktivität oder Erregung zu flüchten, konfrontiert das Paar mit seinen Grenzen, körperliche Nähe zu ertragen und gibt ihm die Möglichkeit, die Grenzen allmählich zu erweitern (…). Die strenge Trennung von Aktivität und Passivität provoziert auch Geschlechtsidentätsängste – sexuell-passiv-sein beim Mann und sexuell-aktiv-sein bei der Frau» (Arentewicz & Schmitt, 1980, s.58)

Das Sinnlichkeitstraining verläuft in mehrere Phasen, die aufeinander aufbauen und jeweilig mit der therapeutischen Fachperson besprochen werden. Es wird immer erst zur nächsten Phase gewechselt, wenn sich Partner/in und Partner/in in der aktuellen Phase wohl fühlen und damit angenehme Empfindungen gemacht haben.

Phase 1 > Streicheln 1: Liebevolles Streicheln des ganzen Körpers, jedoch ohne Brüste und Genitalien. Das Ziel der Übung ist, sich sicher und entspannt zu fühlen. Die einseitige Ausrichtung auf sexuelles Funktionieren, Geschlechtsverkehr und Orgasmus soll überwunden werden.

Phase 2 > Streicheln 2: Den ganzen Körper sinnlich berühren und dabei auch die Genitalien mit anhaltenden Berührungen einbeziehen. Weiterhin soll das Paar keine sexuelle Erregung, sondern Entspannung herstellen. In der passiven Rollen können Sie Stopp sagen oder Wünsche äussern.

Phase 3 > Genitalien erkunden: In dieser Phase werden die Genitalien vom jeweiligen Partner im Detail gezeigt und und vom anderen Partner erkundet. Durch die aktive Beschäftigung mit dem gegengeschlechtlichen Genital und der Erfahrung, dem oder der Partner/in den eigenen Genitalbereich zu zeigen und zu erklären, sollen mögliche Hemmschwellen abgebaut und Vertrautheit und Gelassenheit im Umgang damit hergestellt werden. Das Zeigen und die Betrachtung des Genitalbereichs kann intensive und widersprüchliche Gefühle auslösen. Es ist wichtig, diese zu erkunden.

Phase 4 > Genitalien streicheln: Die Genitalien werden zunehmend durch anhaltende und streichelnde Berührungen liebkost und stimuliert. Ziel ist es, die eigenen Genitalien und die des Partners besser kennenzulernen. Der neue Übungsschritt wird eingebaut, wenn beide mit der Rückenlage fertig sind. Die Partner setzen sich bequem hin und spreizen die Beine.

Phase 5 > Sexuelle Stimulation: Dies ist der Zeitpunkt, zu dem ihm Rahmen der Paarübung zusätzlich erstmals gezielte sexuelle Stimulation stattfindet. Der aktive Partner hat die Aufgabe für die Stimulation des Partners zu sorgen. Dabei soll der eine Partner den anderen so stimulieren, dass sexuelle Erregung und erotisches Lustempfinden entsteht. Dabei soll das Paar auch miteinander sprechen und der eine Partner dem anderen mitteilen welche Form der Berührung angenehm oder erregend ist. Es ist in dieser Phase nicht erwünscht, dass es zum Orgasmus kommt. Der Versuch einen Orgasmus herbeizuführen, könnte Druck auslösen, «funktionieren» zu müssen.

Phase 6 > Geschlechtsverkehr: Auch hier werden die Elemente der vorherigen Phasen wiederholt, aber es kommt zusätzlich zum Geschlechtsverkehr. In der Regel übernimmt in dieser Phase die Frau die Einführung des Penis in ihre Vagina. Dann verweilen beide Partner in einer stillen Vereinigung ohne sich durch Beckenbewegung und Reibung der Genitalien zu erregen. Vorsichtige Beckenbewegungen können eingabaut werden, wenn sie keine Überforderung darstellen.

Phase 7 >Freie Gestaltung der Bewegung mit den verschiedenen Elementen der bisherigen Phasen bis zum Geschlechtsverkehr und wenn es dazu kommt mit genitalem Orgasmus, ohne die Erwartung, dass dieser Orgasmus zusammen erfolgt.

Literatur

  • Lehrbuch Sexualtherapie, Reinhard Mass und Renate Bauer, Klett-Cotta 2016
  • Sex & Achtsamkeit. Sexualität, die das ganze Leben berührt, Susanna-Sitari Rescio, jkamphausen 2017